100 Jahre Studierendenwerk Darmstadt

100 Jahre Versorgung, Betreuung und Förderung rund ums Studium - wir feiern Jubiläum!

Auch zehn Jahrzehnte nach der „Studentischen Wirtschaftshilfe“ geht es um Chancengleichheit und den Ausbau der sozialen Infrastruktur für Studierende!

Digitale Jubiläums-Festschrift „wir sind für studierende DA seit 1921“ (PDF-Download)

Unser heutiger gesetzlicher Auftrag hat seine Wurzeln im zivilgesellschaftlichen, demokratischen Engagement von Studierenden und Lehrenden nach dem Ersten Weltkrieg.

Die Publikation dokumentiert einen erstaunlichen Wandlungsprozess - das finstere Kapitel der Gleichschaltung der studentischen Sozialfürsorge in der NS-Zeit wird hierbei nicht ausgespart.

Gleichzeitig wird auf über hundert Seiten anschaulich, wie bedarfsorientiert und vielfältig die Arbeit des Studierendenwerks im Wandel der Zeiten stets war und ist und warum sie einen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung von Chancengleichheit darstellt.

Ein Ausstellungsprojekt zur Historie und aktuellen Bedeutung des stwda finden Sie hier.

 


Hausmannskost, Billard … fünf Mark Semesterbeitrag

Die Weichen für das Studierendenwerk wurden 1919 gestellt

Der Leitgedanke war vom ersten Moment an Unterstützung nach dem Solidaritätsprinzip: Die Anfänge studentischer Fürsorge mündeten schließlich 1921 in die Gründung der „Studentischen Wirtschaftshilfe Darmstadt e.V.“, Vorläufer des heutigen Studierendenwerks.

Toreinfahrt von der Alexanderstraße in den Hof der Studentischen Wirtschaftshilfe. Quelle: StAD ST L 1855 -1926

 

 „Ein Kind materieller Not“

Die erste studentische Vertretung an der damaligen TH Darmstadt wurde am 7. März 1919 gewählt. Der Mangel der Nachkriegszeit und die Inflation führten auch an anderen deutschen Universitäten zur Überzeugung, dass der Not am besten gemeinsam begegnet werden sollte. So forderte die Darmstädter Studentenschaft 1919 die Einrichtung einer Studentenküche. Die „Volksküche“ am Riegerplatz konnte zwar mitgenutzt werden, den tatsächlichen Bedarf der Studierenden aber nicht decken. Die Wahl fiel auf das Gebäude der ehemaligen Ernst-Ludwig-Kaserne in der Alexanderstraße. Nötige Arbeiten wurden über Spenden finanziert oder über Kontakte zu ortsansässigen Handwerkern kostenlos durchgeführt. 1926 kam ein Kellereinbau in der Otto-Berndt-Halle hinzu, heute Mensa Stadtmitte.

 

Solidarische Haltung der Dozentenschaft

Das „Studentenheim“ war das Produkt enger Zusammenarbeit zwischen Studentenund Dozentenschaft. In den historischen Quellen werden in der Gründungsphase vier Personen hervorgehoben. Die Maschinenbau-Studenten Walter Scheffel und Alfred Ulrich sowie der Architektur-Prof. Heinrich R. Walbe (1920-1921 TH-Rektor) und Maschinenbau-Prof. Enno W. Heidebroek. Ulrich fungierte ab 1921 als Geschäftsführer der Studentischen Wirtschaftshilfe. Am 25. April 1921 wurde das sogenannte „Studentenheim“, das wohlgemerkt kein Wohnheim war, offiziell eingeweiht und einen Tag später dort der erste Mittagstisch angeboten. Im Sommer 1921 erfolgte die Gründung der „Studentischen Wirtschaftshilfe Darmstadt e.V.“.

 

Grundsatz: Hilfe zur Selbsthilfe!

Die Einnahmen des Vereins mussten die Kosten decken. Investitionen wurden über Zuschüsse und Spenden aus der Wirtschaft oder von Privatleuten finanziert. Alle Studierenden – 1925 waren 2.324 Personen eingeschrieben, der Frauenanteil lag bei knapp 2 Prozent – waren Mitglied im Verein und zahlten im Jahr 1925 einen Semesterbeitrag von fünf Mark. Nicht-Studierende zahlten zwei Mark. - 11 - 1925 gab es bereits 47 bezahlte Angestellte. In jedem Bereich war ein Student ehrenamtlich tätig. Der Vorstand setzte sich 1925 aus zwei Dozenten, einem Altakademiker, einem Vertreter des Wirtschaftslebens und zwei Studierenden zusammen, wovon einer der Vorsitzende der Studentenschaft war, sowie dem Geschäftsführer des Vereins.

In der eigenen Reparaturwerkstatt konnten die Studierenden handwerkliches Geschick unter Beweis stellen. Quelle: StAD ST L 1855 -1926

 

40 Pfennig für ein Mittagessen

Ein Hauptanliegen der Studentischen Wirtschaftshilfe war Sättigung. „Gute Hausmannskost“, vor allem in Form von Salzkartoffeln, dominierte das Angebot in den drei Speisesälen. Voraussetzung für die niedrigen Preise war eine breite Beteiligung seitens der Studierenden. Im Jahr 1925 kostete ein Mittag- oder Abendessen 40 Pfennig.

Großküchen-Style 1925: Küche der Studentischen Wirtschaftshilfe. Quelle: StAD ST L 1855 -1926

 

„Chillen“ anno 1925

Beliebt im „Studentenheim“ war der „Erfrischungsraum“: Rauchen war erlaubt, man konsumierte Limonade, Kaffee, Tee, alkoholische Getränke, belegte Brötchen, Kuchen und Eis. Unterhaltung boten Schachbretter und Radiokonzerte. Daneben gab es zwei beheizte Arbeitsräume, ferner Leseräume und ein Musikzimmer mit Klavier.

Die beheizten Arbeitszimmer wurden gerade in den Wintermonaten gerne genutzt. Quelle: StAD ST L 1855 -1926

 

„Einzelfürsorge“ - Unterstützung auf breiter Basis

Das „Studentenheim“ war jedoch nicht bloß Treffpunkt und Mensa, sondern auch ein Verwaltungsstandort für viele FürsorgeLeistungen. Unter „Einzelfürsorge“ fielen u. a. die Verteilung von vergünstigten Essensmarken an bedürftige Studierende und die Gewährung von Freitischen, die über Spenden finanziert wurden. Insbesondere lungenkranken Studierenden wurden Kur- und Sanatoriumsaufenthalte ermöglicht. Den jüngeren Studierenden wurde hingegen durch „Arbeitsvermittlung“ geholfen. Auf diese Weise erhielten sie die Möglichkeit, „durch eigene Arbeit neben [ihrem] Studium im Semester oder in den Ferien in Fabrik oder Kontor [ihren] Unterhalt zu verdienen“ [Darmstädter Hochschulführer 1922/23, S. 57].

Die Studierenden sammelten wertvolle Erfahrungen und setzten ihr Studienwissen praktisch um. In den Werkstattbetrieben der Wirtschaftshilfe, zum Beispiel der „Druckerei- und Schreibmaschinenlehrstube“, konnten zukünftige Akademiker praktische Tätigkeiten erlernen. Von der Gründung der „Darlehenskasse“ im Jahr 1923 profitierten damals vor allem Studierende, die kurz vor ihrem Studienabschluss standen.

„Materialamt und Verkaufsstelle für Lebensmittel und Bekleidung“

Das Angebot des „Materialamts“ umfasste 1925 u. a. Papier, Stifte und Rechenschieber, aber auch Zucker, Wurst, Schuhe, Socken sowie Holz, Kohlen und Zeitschriften. Im „Chemikeramt“ gab es Filterpapiere und Gummischläuche. Die Studierenden nutzten das Angebot ausgiebig und die Ausgabe von Gutscheinen ermöglichte weitere Vergünstigungen für besonders bedürftige Studierende.

Die meisten Studierenden hatten keine Waschmöglichkeiten. Die Studentische Wirtschaftshilfe richtete eine „Wasch-, Bügel- und Flickstube“ ein. Quelle. StAD ST L 1855 -1926

 

64 Betten im ersten Wohnheim

Das erste sogenannte „Studentenhaus“ mit großem Garten wurde am 26. April 1923 in der Heinrichstraße 15 in Betrieb genommen und verfügte über 64 Betten. In Gemeinschaftsräumen war Billard, Klavierspielen und Radiohören angesagt. Die Preise für ein Zimmer lagen 1925 bei 9 bis 17 Mark, je nach Größe bzw. Bettenzahl. Fest steht: Schon vor fast 100 Jahren wurden im Bereich der studentischen Fürsorge bemerkenswerte Leistungen erbracht und der Grundstein für das heutige Studierendenwerk gelegt. Ohne freiwilliges Engagement im Rahmen der Studentischen Wirtschaftshilfe und breite Unterstützung von außen wäre dies undenkbar gewesen.

„Der Radiofreund“ genoss die ersten Radiosendungen. Quelle: StAD ST L 1855 -1926

 

Text: Jan Nils van der Pütten, Detlef Gollasch

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