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Veranstaltungen
- 37. Ausstellung der Deutschen Studierenden Werke: "Ich engagiere mich"
- Eröffnungsveranstaltung zur 37. DSW Wanderausstellung: "Ich engagiere mich"
- Karaoke International im Schlosskeller - in Kooperation mit TUtor International
- Ausflug zur Ludwigshöhe · in Kooperation mit TUtor International
- Global Picnic · in Kooperation mit TUtor International und ESN
- Ableismus - wie sagt man eigentlich zu euch? · mit Praxislabor (FB3 - TU Da)
- Rassismus - was ist falsch an der Mohrenapotheke? · mit Praxislabor (FB3 - TU Da)
- Sexismus - Mannsein müsste man · mit Praxislabor (FB3 - TU Da)
- Klassismus - Herkunft ist Zukunft · mit Praxislabor (FB3 - TU Da)
- Kegeln in Darmstadt - in Kooperation mit International Office (h_da)
- Play ITT - in Kooperation mit AWO Darmstadt Familienzentrum Martinsviertel
- Welcome Turnier · in Kooperation mit TUtor International und ESN
- Stadttour Wiesbaden - in Kooperation mit International Office (h_da)
- Studieren ohne Akademiker Eltern - wie geh ich damit um? Mit Susanne Pawlewicz + ArbeiterKind.de
- European Space Operations Centre (ESOC) - Führung auf Deutsch
- Merck - Firmenbesichtigung auf Englisch
- Play ITT - in Kooperation mit AWO Familienzentrum Martinsviertel
- Cook `n` Eat ITT: Plätzchen · in Kooperation mit ESG
- Weihnachtsmarkt Darmstadt - in Kooperation mit International Office (h_da)
- Treffen für Studierende über 25
- Play ITT - in Kooperation mit AWO Familienzentrum Martinsviertel
- Faschingsumzug in Frankfurt · in Kooperation mit TUtor International
- Kontakte knüpfen mit ITT
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Erfolgreich abgeschlossene Projekte
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Erste Intersektionale Diversity Woche (InDiWo)
- Verschwörungsmythen & Antisemitismus
- Antisemitismus und...
- Incels – Geschichte, Sprache und Ideologie eines Online-Kults
- Frauen*hass und 'Frauenrechte'
- Intersektionale Diskriminierungen von LSBTIQ of Color
- Lebensrealitäten und Diskriminierungs-erfahrungen von LGBTIQ*
- Rassismus in/und Sprache
- Anti-asiatischer Rassismus
- Warum Intersektionalität kein Luxus ist
- Intersektionale Diversity Woche (InDiWo)
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Erste Intersektionale Diversity Woche (InDiWo)
- Rückblick Welcome Turnier
- Respekt - Anti-Sexismus/ Anti-Diskriminierung
- Ansprechpersonen
Einblicke gewünscht?!
Entsprechend der drei Säulen, in die wir unser Projekt "Vielfalt leben - vom Ihr zum WIR" gegliedert haben, fokussieren unsere Angegebote auf folgende Zielgruppen: andere Akteure, Schulen, SchülerInnen, Eltern und Studierende mit Migrationshintergrund und zusätzlich MitarbeiterInnen des Studierendenwerks.
Für jede dieser Gruppen bieten wir unterschiedliche Veranstaltungen und Formate. Häufig kommen dabei auch verschiedene dieser Gruppe zusammen.
Gesellschaftliche Vielfalt in ausdrucksstarken Bildern
Von Ann-Kathrin Landzettel
„Was bedeutet Vielfalt für dich?“ – diese Frage beantworteten Studierende der Technischen Universität sowie der Hochschule Darmstadt im Rahmen des Fotowettbewerbs „LET DIVERSITY CLICK! – Für eine offene Gesellschaft“. Rund 80 ausdrucksstarke Fotografien erreichten die Jury des Studierendenwerks. Eine Auswahl wurde ausgestellt – und die eindrucksvollsten Bilder prämiert.
Mit dem Fotowettbewerb wie auch mit der Preisverleihung feierte die Abteilung Interkulturelles des Studierendenwerks Darmstadt das 5-jährige Bestehen des Interkulturellen Tutoren Teams (ITT) sowie den Abschluss des Projekts „Vielfalt leben – vom Ihr zum WIR“, das von der Stiftung Mercator für drei Jahre gefördert wurde. „Es wurden viele gute Bilder eingereicht. Es war nicht leicht, eine Auswahl zu treffen. Unsere Jury hat lange überlegt und sich die Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagte Ursula Lemmertz, Leiterin der Abteilung Beratung und Soziales bei der Preisverleihung. „Mit dabei waren Christina Wendt, die Projektleiterin von Studium+M, Louisa Frenzel, die das Interkulturelle Tutoren Team koordiniert, Hendrik Hamelau von der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit sowie Grafiker Bernd Lehmler, der den Fotowettbewerb begleitet hat.“
Über den ersten Platz freute sich Lis Martin Neves de Oliveira. Ihre Fotografie zeigt ein junges Mädchen mit dunkler Hautfarbe, das eine Barbiepuppe hält. „Dieses Bild wurde in Jardim Gramacho in Rio de Janeiro, Brasilien aufgenommen. Es ist eine Kritik an der unausgewogenen Beziehung zwischen Vielfalt und Repräsentation. Brasilien ist wahrscheinlich das vielfältigste Land der Welt. Hier finden sich verschiedene Religionen, Kulturen, Geschlechter, Sexualitäten und Hautfarben. Und obwohl die Gesellschaft so bunt gemischt ist, ist Brasilien immer noch von einer weißen, männlichen und christlichen Mehrheit dominiert“, erklärt die Gewinnerin des Fotowettbewerbs.
Den zweiten Platz belegte Lea Sahm. Die Fotografie der Studentin zeigt eine Momentaufnahme auf einem Flohmarkt. Ein Mann hat an seinem Stand verschiedene Fotoapparate und Ferngläser ausgestellt und erklärt Interessierten die Funktion der Geräte. Dieses Bild verdeutlicht, wie wichtig es für eine offene Gesellschaft ist, heranzuzoomen, um sich ein Bild von den Mitmenschen machen zu können und nicht voreilig Schlüsse zu ziehen. „Das Foto ist im Urlaub in London entstanden. Ich finde, dass offenes Sprechen, sich erklären und Zuhören Teil einer offenen Gesellschaft sein sollten. Und dass jedem Menschen zugehört werden sollte – egal welchen Hintergrund der Mensch mitbringt“, sagt Lea Sahm.
Über einen dritten Platz freuten sich Friedrich Großmann und Kiplimo Kibet. Auf der Schwarz-Weiß-Fotografie von Friedrich Großmann sind verschiedene Gesichter zu sehen, die von Zitaten eingerahmt sind, darunter: Diversity. The Art Of Thinking Independently Together. „Die Zitate sollen zeigen, was der Menschheit in einer Unisono-Gesellschaft entgehen würde und dass erst Vielfalt die Menschen weiterbringt. Nur durch die Vielfalt der Menschen und ihrer Ansichten kann ein Miteinander entstehen, sich weiterentwickeln und bestehen“, erklärt der Student sein Bild.
Kiplimo Kibet hat für seine Fotografie Obst unterschiedlich zubereitet: In drei Gläsern finden sich Mus, geschichtetes und gemischtes Obst. Sein Bild ist eine abstrakte Darstellung der Gesellschaft und wirft die Frage auf, wie man mit Unterschiedlichkeit umgehen möchte: Ist sie separiert, integriert oder macht man einen Einheitsbrei daraus? „Das Bild soll zur lebendigen Auseinandersetzung über Lebensformen, Assimilation, Segregation, Integration, Inklusion, Hierarchien, Schichten, Individualität und Homogenität einladen. In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?“, fragt Kiplimo Kibet.
Über einen vierten Platz durften sich die Studierenden Jan Terwolbeck, Alessia De Filippi und Marko Fischer freuen. Jan Terwolbeck zeigt auf seinem Foto „Same Same But Different“ eine Auswahl an Erdbeeren. „Neben der klassischen Vielfalt im menschlichen Kontext habe ich mir überlegt, wo einem im Alltag Vielfalt begegnet, ohne dass es einem direkt auffällt oder man darüber nachdenkt. Da Erdbeerzeit ist, musste ich daran denken, wie unterschiedlich alle Erdbeeren sind. Das gilt auch für jedes andere Obst und Gemüse. Im Handel werden meist nur die ‚schönen‘ Produkte, die in die Norm passen, verkauft – obwohl Produkte, die nicht in diese Norm passen, ebenso schmecken. Doch auch dieses Obst und Gemüse sollte man anerkennen. Genau wie jeder Mensch sich von anderen unterscheidet und soziale Anerkennung verdient“, erklärt der Student die Idee hinter seiner Fotografie.
In die Fotografie eines Auges hat Alessia De Filippi verschiedene Buchstaben aus verschiedenen Sprachen eingearbeitet. In der Pupille ist die Erde zu sehen. Mit ihrer Arbeit möchte die Studentin zeigen, dass es eine genauere Betrachtung braucht, um in einer offenen Gesellschaft ohne Vorurteile und Schubladen leben zu können.
Auf der Fotografie von Marko Fischer sind mehrere Hände zu sehen, die gemeinsam ein Band flechten. Mit diesem Bild möchte der Student zeigen, wie wichtig es ist, gemeinsam aktiv zu sein. Es lässt sich viel erreichen, wenn alle an einem Strang ziehen und zusammenarbeiten.
Ein Sonderpreis ging an Erman Böcek. Sein Bild wirft einen kritischen Blick auf das Thema Diversität: Zu sehen sind ein Regal mit verschiedenen Chips-Sorten sowie ein mit Müll verschmutzter Strand. Mit seinem Foto möchte der Student zeigen, dass wir in einer Gesellschaft leben, die stark davon geprägt ist, dass wir versuchen, unsere Individualität durch Konsum auszudrücken. Die negativen Auswirkungen sind nicht unbedingt hier zu spüren, sondern werden woanders abgeladen. „Letztlich führt der heute konstante Zwang zur öffentlich präsentierten Individualität, dem immer neuen Konsumieren von immer Neuerem – Hauptsache ‚Anderem‘ – zu einer Diversifizierung ihres reinen Selbstzwecks wegen. Diversität nur um nicht ‚gleich‘ zu sein“, erklärt Erman Böcek sein Bild.
Einen ITT-Sonderpreis bekam Saad Ur Rehmann. Auf seiner Fotografie ist das Interkulturelle Tutoren Team bei einem Ausflug zu sehen. Alle in der Gruppe haben ein Handy in der Hand, auf dem die Flagge ihres Herkunftslandes zu sehen ist. „Die Studierenden kommen aus verschiedenen Ländern, haben verschiedene Kulturen, gehören verschiedenen Religionen an und sprechen verschiedene Sprachen. Sie alle sind zum Studieren zusammengekommen und haben Freude an der multikulturellen Gesellschaft“, so der Student.
Von Ann-Kathrin Landzettel
Zum Abschluss des gemeinsamen Projekts „Vielfalt leben“ griffen die Schüler*innen der AG „Schule ohne Rassismus“ der Albert Schweitzer-Schule in Groß-Zimmern gemeinsam mit dem Tutoren-Team von "Studium+M" des Studierendenwerks Darmstadt zur Spraydose. Begleitet wurde der Kreativ-Tag von Graffiti-Künstler und Diplom Kommunikationsdesigner Jörn Heilmann.
„Das machen Sie bestimmt nicht illegal“ – mit diesem Satz lernten sich die Projektleiterin von „Studium+M“ und Graffiti-Künstler Jörn Heilmann kennen. „Als ich die Sprayer auf dem Luisenplatz in Darmstadt gesehen habe, dachte ich sofort an die Projekt-Gruppe der Schule. Also habe ich Jörn Heilmann einfach angesprochen“, erinnert sich Christina Wendt. Der bildende Künstler, der auch Vorstand der Künstlervereinigung DARMSTÄDTER SEZESSION ist, fand die Idee spannend, die Gruppe zum Projektende künstlerisch zu unterstützen.
Eisbergmodell-Graffiti: Vielfalt leben aus der Spraydose
Mit Atemschutz, bunten Spraydosen, selbstgebastelten Schablonen und viel Motivation setzte das Projekt-Team unter der Anleitung des Sprayers die Erkenntnisse aus dem Schuljahr 2017/2018 gestalterisch um und brachte auch das Eisbergmodell auf die Leinwand. „Oberflächliches Bewerten, Verurteilen und Handeln kommt oft dadurch zustande, weil wir nicht ‚unter die Wasseroberfläche des Eisbergs‘ blicken. Das Eisbergmodell hat uns gezeigt, wie wichtig die Reflexion des eigenen Verhaltens und der eigenen Handlungsweisen ist, um Diskriminierung und Alltagsrassismus ‚etwas‘ entgegensetzen zu können. Dieses ‚etwas‘ kann gelingen durch Perspektivwechsel und die Bereitschaft, seine Denkmuster zu verändern, um seinen eigenen kleinen Beitrag zu ‚Vielfalt leben‘ beizutragen“, so die Erkenntnis des Projekt-Teams.
Außerdem wurden die durch das Eisbergmodell gewonnenen Erkenntnisse in Form von Statements auf Plakate gesprüht, darunter: „Wer sagt, wer ich bin?“ und „Zeit für einen Perspektivwechsel“. Abschließend bekamen alle ein T-Shirt, auf das sie mit einer speziellen Sprüh-Technik „RESPECT“ schrieben.
Mit Sprühfarben und Leinwänden zu einem fairen Miteinander
Die Inhalte des Projekts „Vielfalt leben“ in Form von Graffitis darzustellen, hat allen viel Spaß gemacht – so manche Schülerin und mancher Schüler wollten die Spraydosen gar nicht mehr aus der Hand geben. Stolz waren sie alle am Ende des Tages. „Es war klasse, wie begeistert alle mitgemacht haben und wie interessiert sie auch an den Sprühtechniken waren“, sagt Jörn Heilmann. „Der Zusammenhalt ist geglückt und ich denke, wir konnten allen nachhaltig einen tollen Projektabschluss bieten. Mit Ehrlichkeit und Offenheit anderen zu begegnen ermöglicht es, Brücken zu überwinden. Das Sprühen der Graffitis hat zudem gezeigt: Durch ein respektvolles Miteinander lassen sich gemeinsame Ziele erreichen.“
Graffitis laden ein, nachzudenken
Projektleiterin Christina Wendt und Lehrer Sven Dwelk ergänzen: „Das war wirklich ein toller Abschluss von einem spannenden Projekt. Die Bilder werden zu der 50-Jahr-Feier der Albert Schweitzer-Schule ausgestellt und es ist geplant, sie anschließend im Rathaus in Groß-Zimmern auszustellen. Das ist eine wichtige Wertschätzung für die Schüler*innen, die im gesamten Schuljahr intensiv mit dem Tutoren-Team von ‚Studium+M‘ zusammengearbeitet haben und immer motiviert dabei waren – obwohl die Treffen außerhalb der Unterrichtseinheiten stattfanden. Zu Recht fließt das Projekt in die Notengebung mit ein. Ein großes Dankeschön an alle, die mitgemacht haben und die mit uns auf die Suche nach den eigenen ‚Schubladen im Kopf‘ gegangen sind. Es wäre schön, wenn solche Projekte in Schulen öfter ihren Platz finden würden – einbinden ließen sie sich in fast alle Unterrichtsfächer.“
Von Ann-Kathrin Landzettel
A-Berufe im Fokus: Studierende mit Migrationshintergrund entscheiden sich häufig für prestigeträchtige Studiengänge – und erfüllen damit oft vor allem den Eltern einen Herzenswunsch. Doch bleiben die eigenen Studierneigungen unberücksichtigt, kann das auf dem Weg zum Abschluss zu einem echten Stolperstein werden, wie die qualitative Befragung von Studierenden der Technischen Universität und der Hochschule Darmstadt zeigt. Diskriminierungserfahrungen im Hochschulkontext waren bei den Befragten kein Thema.
Die Studie "Stolpersteine und Erfolgsbedingungen im Studium" wurde im Rahmen des bundesweiten Programms "Studium + M – Programm für mehr Studierende mit Migrationshintergrund" im Auftrag des Studierendenwerks Darmstadt von Prof. Dr. Marek Fuchs und seinem Team vom Institut für Soziologie der Technischen Universität durchgeführt. 19 Studierende, die kurz vor der Fertigstellung ihres Bachelor-Studiengangs in den Bereichen Architektur und Elektrotechnik stehen, kamen zu Wort. 13 von ihnen haben einen Migrationshintergrund.
Diskriminierung im Hochschulkontext kein Thema
Eine Vielzahl verschiedener Untersuchungen hat immer wieder gezeigt, dass Studierende mit Migrationshintergrund seltener ein Studium beginnen und dieses häufiger abbrechen – obwohl die Studierneigung mindestens genauso hoch ist wie bei den einheimischen Studierenden. Wo liegen die größten Stolpersteine und wie kann das Studium gelingen? Eine erste wertvolle Erkenntnis der qualitativen Untersuchung ist: Institutionelle oder persönliche Diskriminierung haben die Befragten nicht erlebt und sie spielt somit auch keine Rolle bei einem möglichen Abbruch des Studiums. "Diskriminierung finden wir in unserem Material überhaupt nicht. Die Hochschulen werden als offene Räume wahrgenommen, als Räume, in denen sich Menschen unterschiedlicher Herkunft relativ vorbehaltlos begegnen", sagt Prof. Fuchs.
Starker Einfluss der Eltern auf die Studienwahl
Der überraschendste und wichtigste Punkt in Hinblick auf die Stolpersteine ist laut Prof. Fuchs und seinem Team die starke Rolle der Herkunftsfamilie. "Wir haben in den Interviews immer wieder klar herausgearbeitet, dass die Studierenden mit Migrationshintergrund häufig deshalb studieren, weil ihre Eltern es wünschen. Die Eltern haben eine stärkere Rolle im Entscheidungsprozess, ein Studium aufzunehmen, als es bei einheimischen deutschen Studierenden der Fall ist", erklärt Prof. Fuchs.
Dieser Einfluss kann ein gewinnbringender Faktor sein, weil die Eltern dazu motivieren, das Studium zu beginnen und durchzuhalten. Doch zugleich ist dieser Einfluss auch eine mögliche Hürde. Die Befragung hat gezeigt, dass sich die Eltern vor allem hoch angesehene Studiengänge wünschen. Dazu zählen unter anderem die sogenannten A-Berufe wie Arzt, Apotheker, Anwalt und Architekt. "Das Studium ist vor allem eine Prestigefrage. Bleiben die eigenen Interessen der Studierenden aber unberücksichtigt, erhöht das die Wahrscheinlichkeit für einen Studienabbruch", so Prof. Fuchs.
Starke Einbindung in familiäre Strukturen nimmt Freiräume
Ein weiterer Stolperstein ist die starke Einbindung der Studierenden mit Migrationshintergrund in familiäre Strukturen. Nur wenige haben die Möglichkeit, sich zu distanzieren und beispielsweise in die Nähe der Hochschule zu ziehen oder die notwendige Zeit für das Lernen aufzubringen. Dem Druck, die familiären Anforderungen zu erfüllen und zugleich die Herausforderungen des Studiums zu meistern, sind viele Studierende nicht dauerhaft gewachsen. "Die fehlende Autonomie der Studierenden ist ein ziemlich großes Problem", erklärt Prof. Fuchs. "Die starke Bindung an die Familien, der Druck sowie die nicht berücksichtigten Studieninteressen können zu einer Überbelastung führen."
Geschlossene Lerngruppen schneiden Studierende von Austauschmöglichkeiten ab
Überraschend ist auch, dass sich mit Aufnahme des Studiums bei vielen Studierenden mit Migrationshintergrund der Freundeskreis verändert. Hatten sie in der Schulzeit gemischt nationale Freundeskreise oder rein deutsche Freundeskreise, findet mit Studienbeginn häufig eine Refokussierung auf Freunde mit Migrationshintergrund statt, wie die Auswertung der Befragung zeigt. Ein möglicher Grund ist der Wunsch nach einem Gefühl des Aufgehobenseins, um das Studium bewältigen zu können.
Laut Dr. Olga Zitzelsberger vom Institut für Allgemeine Pädagogik der TU Darmstadt ist das vor allem in Hinblick auf Lerngruppen kritisch, da sich die Studierenden mit Migrationshintergrund so von Handlungs- und Lösungsmöglichkeiten abschneiden und auch einheimischen Studierenden Austauschmöglichkeiten verloren gehen. "Die Öffnung der Lerngruppen ist ein wichtiges Ziel. Wenn wir es schaffen würden, dass wir Lerngruppen konstituieren, die deutlich mehr durchmischt wären, würden vermutlich alle Studierenden davon profitieren."
Viele Studierende wissen nicht, was im Studium auf sie zukommt
Die Befragung zeigt zudem, dass die Studierenden mit Migrationshintergrund oftmals nur schwer einschätzen können, was im Studium auf sie zukommt und mit welchen Anforderungen ein Studium verknüpft ist. Fehlende Informationen und eine zu geringe Vorbereitung sind Stolpersteine, die einen Studienabbruch begünstigen. "Im Vergleich mit den Studierenden ohne Migrationshintergrund ist bei Studierenden mit Migrationshintergrund der Anteil der Studienpioniere deutlich höher. Und das hat spezifische Konsequenzen. Ein Elternhaus, das keine Erfahrungen im Studienkontext hat, kann die eigenen Kinder schlechter unterstützen und auf ein Studium vorbereiten", sagt Dr. Zitzelsberger. "Es gilt, diese Menschen anzusprechen und Unterstützung anzubieten, ohne dabei zu stigmatisieren. Es gilt, alle Studierenden zu adressieren und zu schauen: Was brauchen sie?"
Für ein erfolgreiches Studium gibt es nicht die EINE Lösung
Yang Li vom Tutoren-Team des Projekts "Studium + M" ergänzt: "Auf die Frage, wie man erfolgreich studiert, gibt es nie eine einzige Antwort. Egal ob mit Migrationshintergrund oder ohne, mit akademischen Hintergrund oder ohne – es gibt ganz viele individuelle Faktoren. Studien wie diese sind wichtig, um die Bedürfnisse von Studierenden aufzuzeigen und die nötigen Hilfestellungen anbieten zu können. Die Studienergebnisse decken sich mit vielen Erfahrungen, die ich selbst gemacht habe. Aber auch mit Erfahrungen, von denen andere Studierende mit Migrationshintergrund berichten. Zusammengefasst denke ich, dass alle Studierenden von Unterstützung profitieren."
Anschließend ging es in Kleingruppen – angeleitet von Tutor*innen – in den Unialltag hinein. Ein Blick in die größte Mensa des Studierendenwerks, in die Universitätsbibliothek und ihre Lernplätze sowie ein Besuch der AStA-Räume und des Sprachenzentrums.
Ein besonderes Highlight war für die meisten, für eine kurze Zeit einer Vorlesung im Audimax zuhören zu können. Die Größe des Raumes und die große Anzahl an Studierenden haben einen nachhaltigen Eindruck bei den Schüler*innen hinterlassen.
„Ich habe nichts verstanden, was da im Hörsaal gelehrt wurde“, lacht Renja (15) herzlich. Die vielen Einblicke helfen ihr auf dem Weg zu ihrer Entscheidung, einmal Jura oder Eventmanagement zu studieren.
Von Ann-Kathrin Landzettel
Bunt und kreativ war der im Rahmen des bundesweiten Projekts "Studium+M" angebotene Workshop für die Auszubildenden des Studierendenwerks Darmstadt: Unter der Anleitung der Künstlerin Zoya Sadri visualisierten sie mit Pinsel und Acrylfarben gemeinsam das Thema "Vielfalt leben – vom Ihr zum WIR". Entstanden sind Arbeiten, die einzeln ebenso ausdrucksstark sind wie als großes Ganzes.
Zoya Sadri, die unter anderem Kunstprojekte für Kinder mit Migrationshintergrund und Fluchterfahrung begleitet, möchte den Blick für Ungerechtigkeiten, Ausgrenzung und Diskriminierung schärfen. "Kunst ist eine Form der Kommunikation, die ohne Worte auskommt. Sie kann alle Menschen auf der Welt erreichen, egal welche Sprache sie sprechen. Kunst verbindet, macht Verborgenes sichtbar und zeigt die persönliche Vielfalt in jedem von uns", erklärt die in Teheran geborene Künstlerin.
Zwölf Leinwände, bunte Farben und viele Ideen
Wie sich Gedanken und Gefühle künstlerisch ausdrücken lassen, durften auch die Auszubildenden erfahren. Aufgeteilt in drei Gruppen stand allen eine Leinwand zur Verfügung. Ziel war es, sich kreativ mit den Themen Kultur sowie Eigen- und Fremdwahrnehmung auseinanderzusetzen. Dabei war jeder der Teilnehmenden frei in der Gestaltung. Trotzdem sollten die fertigen Bilder gemeinsam eine Einheit bilden und als verbindendes Element einen Kreis enthalten. Zuerst saßen die Teilnehmenden noch etwas ratlos vor den Farben. Doch bald entwickelten sich lebhafte Diskussionen und Ideen wurden ausgetauscht. Die Teams wollten etwas Gemeinsames erschaffen, sich gegenseitig aber auch genügend Freiraum geben. Die Ergebnisse begeisterten schließlich alle.
Das Yin und Yang-Zeichen ist ein starkes Symbol für Zusammenhalt
"Wir haben uns entschieden, die vier Leinwände zusammenzulegen und einen großen Kreis in die Mitte zeichnen. Dieser verbindet die vier Bilder und trotzdem konnte jeder seine Leinwand so gestalten, wie es ihm gefällt", erklärt die Tutorin Yan Yi das Ergebnis ihrer Gruppe. So enthält ein Bild Bogen-Elemente, die an das chinesische Schriftzeichen für Kultur angelehnt sind. Ein anderes Bild zeigt das Yin und Yang-Symbol für Zusammenhalt. Auf dem dritten Bild sind drei bunte Würfel zu sehen. Sie können einzeln stehen, sich aber auch ineinander fügen, erklärt das Team. Sie stehen für Individualität und Gemeinsamkeit. Die verschiedenen Farben signalisieren die Vielfalt der verschiedenen Kulturen. Auch das vierte Bild zeigt eine Vielzahl an Farben und Formen, so wie auch in einer Gemeinschaft viele verschiedene Persönlichkeiten anzutreffen sind.
Kontraste können positive Wirkung entfalten – künstlerisch wie gesellschaftlich
Bei Gruppe zwei zeigen die Bilder einen deutlichen Bruch. "Wir haben versucht, dass alles ineinander verläuft und dadurch eine Verbindung entsteht", erklärt die Auszubildende Regina Ratzlaff die vier Bilder ihrer Gruppe. "Im Verlauf haben wir uns aber in verschiedene Richtungen bewegt und dieses Ziel irgendwie aus den Augen verloren." Das sei überhaupt nicht schlimm, im Gegenteil, betonte Projektleiterin Christina Wendt. Dies sei ein gutes Beispiel dafür, wie in sozialen Prozessen auch Widersprüche und gegenläufige Tendenzen akzeptiert werden können. Gruppen- und gesellschaftliche Dynamik sei ohne Konfrontation kaum vorstellbar – und das sei auch gut. Gemeinsamkeiten und Anknüpfungspunkte gebe es trotzdem immer, sagte sie. Mal seien sie intensiver und mal weniger intensiv. Und Zoya Sadri ergänzte: "Trotz Bruch bilden die Bilder ein stimmiges Ganzes. Wenn es zu harmonisch ist, wird es langweilig." Es brauche eine gewisse Spannung, auch gesellschaftlich. Sonst gebe es keine Entwicklung.
Zwischen den Kulturen können Missverständnisse entstehen
Die Bilder der dritten Gruppe zeigen unter anderem Zahnräder, Signalwellen, Musiknoten sowie das Weltall. "Es gibt Kulturen, die laufen wie Zahnräder ineinander. Da klappt das Miteinander", erklärte der Auszubildende Marvin Berlin die Leinwände. "Auf der anderen Seite kann es sein, dass verschiedene Kulturen Signale senden, die falsch aufgenommen werden und die zu Missverständnissen führen. Dann kann es zu Zusammenstößen kommen." Mit Hilfe verbindender Elemente könnten diese überwunden werden. Eine Möglichkeit sei Musik, die Menschen verschiedener Kulturen einander näher bringen kann. "Das Weltall wiederum ist ein Symbol für die Unendlichkeit. So wie auch die Vielfalt der Menschen unendlich ist", ergänzt Ajla Zukic. Christina Wendt sieht im Weltall zudem ein Symbol für Offenheit und Neugier. Nur so funktioniere das Miteinander. Dem stimmte auch die Künstlerin zu: "Es ist wichtig, den Blick für Gemeinsamkeiten zu schärfen, aber zugleich auch Unterschiede anzunehmen", so Zoya Sadri. "Die fertigen Bilder zeigen sehr schön, dass jede Gemeinschaft aus Individuen besteht, die miteinander verbunden sind. Jede einzelne künstlerische Arbeit kann für sich stehen, bildet mit den anderen aber dennoch eine Einheit."
Kunst gibt verschiedenen Denkweisen Raum
"Das ist das Schöne an dem Projekt 'Studium+M'. Es bietet viel Freiraum und Möglichkeiten, sich mit dem Kulturbegriff, Vorurteilen sowie Eigen- und Fremdwahrnehmung auseinanderzusetzen und die interkulturelle Kompetenz zu stärken", sagte Christina Wendt abschließend. "Durch die Workshops werden unterschiedliche Werte, Erfahrungen und Denkweisen erlebbar und das regt zum Nachdenken an. Dass wir heute zusammen mit der Künstlerin Zoya Sadri arbeiten konnten, war etwas Besonderes und hat neue Perspektiven ermöglicht." Auch Kizito Odhiambo, der zusammen mit der interkulturellen Trainerin den Workshop geleitet hat und zum Tutoren-Team des Projekts gehört, ist von den künstlerischen Elementen begeistert: "Es war wirklich spannend, mit dabei zu sein, wie aus einzelnen Ideen ein gemeinsames Werk entstanden ist. Das zeigt, wie Menschen zusammenwachsen können, wenn sie sich mit Respekt begegnen und sich aufeinander einlassen."
Projekt „Studium + M“ inspiriert zwei Studienarbeiten
Von Ann-Kathrin Landzettel
Felix Straßer und Esra Erbas gehören von Anfang an zum Tutoren-Team von „Studium + M. Programm für mehr Studierende mit Migrationshintergrund“ des Studierendenwerks Darmstadt. Der intensive Austausch im Team sowie die vielen Gespräche, Erfahrungen und Anregungen im Rahmen des bundesweiten Projekts haben beide geprägt – und nicht mehr losgelassen. „Ich hatte das Bedürfnis, mich tiefer in das Thema ‚Studium mit Migrationshintergrund‘ einzuarbeiten. Da war die Idee nicht weit weg, meine Bachelorarbeit hierüber zu schreiben“, sagt Felix. Esra verspürte diesen Wunsch bei ihrer Hausarbeit.
Studieren mit Migrationshintergrund: Was sind die Erwartungen?
Gegenstand seiner Bachelorarbeit am Institut für Soziologie ist die Studie „Zukunftspläne nach der Schule 2016“. Sie wurde vom Studierendenwerk Darmstadt im Rahmen des von der Stiftung Mercator geförderten Projekts „Studium + M“ in Auftrag gegeben und vom Institut für Soziologie der Technischen Universität Darmstadt durchgeführt. Über 1300 Oberstufenschüler*innen von 15 Schulen aus Darmstadt beziehungsweise aus dem Landkreis Darmstadt-Dieburg wurden befragt.
Das Ziel war, die Studierneigung von deutschen Schüler*innen und solchen mit Migrationshintergrund zu erfragen und mögliche Hürden auf dem Weg zum Studium zu erfassen. „Ich war bei der Erstellung der Studie mit dabei und habe auch bei der Auswertung der Fragen geholfen“, sagt Felix. „Ich fand das total spannend und das Thema hat mich nicht mehr losgelassen.“ Für seine Bachelorthesis „Der Effekt optimistischer Werteerwartungen auf die Bildungsaspiration Jugendlicher mit Migrationshintergrund“ schaute Felix sich die Ergebnisse der Untersuchung genauer an und legte seinen Schwerpunkt unter anderem auf die Frage, welche Erwartungen und Wünsche an ein mögliches Studium geknüpft sind.
Symbolische Gewalt: Der Begriff „Migrationshintergrund“ in der Kritik
Esra Erbas
Tutorin Esra Erbas ließen die Projekt-Erfahrungen ebenfalls nicht los. In ihrer Hausarbeit „Symbolische Gewalt im Kontext von Migration“ im Rahmen ihres Bachelor-Studiengangs „Soziale Arbeit plus Migration und Globalisierung“ setzt auch sie sich intensiv mit dem Thema Migration auseinander und beleuchtet insbesondere den Zusammenhang zwischen Sprache und symbolischer Gewalt. Der Fokus ihrer Hausarbeit liegt auf der Einordung des Begriffs „Migrationshintergrund“. In ihrem abschließenden Fazit schreibt sie: „[…], dass die Betitelung ‚Migrationshintergrund‘ eine symbolische Gewalt darstellt. Sie hat weitreichende Folgen für die Betroffenen. Denn nicht nur das Gefühl des ‚anders‘-Seins wird habitualisiert, auch die Herrschaftsverhältnisse bleiben dadurch erhalten und festigen die Benachteiligung durch die Betitelung.“ Und weiter: „Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich mich schon sehr lange damit beschäftige, ob ich nun Türkin mit deutschem Pass bin, oder eher ‚deutsch‘ oder doch ganz Türkin, denn egal wie sehr ich darüber nachdenke, ist das Gefühl durch den Habitus und durch die symbolische Gewalt nicht rational zu beantworten.“
Projektleiterin Christina Wendt unterstützte die Idee der beiden Arbeiten von Anfang an: „Ich finde es unheimlich toll und beeindruckend, dass sich zwei Tutoren mit Themen, die auch das Projekt ‚Studium + M‘ antreiben, in ihrer Bachelor- und Hausarbeit auseinandersetzen. Das zeigt, dass das Projekt in den Köpfen wirklich etwas bewegt.“
Ein starkes Team: das Studierendenwerk Darmstadt und die Albert Schweitzer-Schule in Groß-Zimmern
Von Ann-Kathrin Landzettel
„Jetzt bin ich doch ein wenig aufgeregt, aber ich freue mich riesig auf den heutigen Tag“, sagte Esra Erbas, die Teil des fünfköpfigen Tutoren-Teams des Projekts „Studium + M“ des Studierendenwerks Darmstadt ist. Gemeinsam mit Schüler*innen der Arbeitsgruppe „Schule ohne Rassismus“ (SoR) der Albert Schweizer-Schule in Groß-Zimmern hat das Tutoren-Team Workshops gegen Diskriminierung und Rassismus erarbeitet. Am 7. Juni fanden die ersten beiden Workshops an der Schule statt. Unter dem Motto „Schubladen-Denken? Ich doch nicht!“ hatten die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler der fünften und siebten Klassen die Möglichkeit, eigene Schubladen im Kopf aufzudecken und diese neu zu sortieren. „Wir haben für die Workshops in den letzten Monaten so viel vorbereitet. Es ist total aufregend, dass es jetzt losgeht. Wir sind total gespannt“, sagte Tutor Dixon Wong kurz vor Beginn.
Diskriminierungsbarometer: fair oder unfair?
Eine der ersten Übungen war das Diskriminierungsbarometer. Hier sollten die Schüler*innen unter anderem entscheiden, ob sie Aussagen wie „Eine muslimische Lehrerin darf nicht mit Kopftuch in den Unterricht gehen“ oder „Als Brasilianerin hast du das Tanzen doch im Blut“ als fair oder unfair empfinden. „Unfair“ lautete die einstimmige Meinung zum Kopftuchverbot. Deutlich unterschiedlicher waren die Ansichten zum Tanzen. „Es ist doch ein Kompliment“, findet ein Junge und stellt sich auf „Fair“. Ein Mädchen findet: „Wer sagt denn, dass alle Brasilianerinnen gut tanzen können?“ und stellt sich auf „Unfair“. Fleißig diskutiert wurde auch die Behauptung „Alle Jungs sind besser in Mathe und alle Mädchen besser in Kunst“. Während einige Jungen fanden, dass das stimmt, gaben andere zu, Mathe nicht zu verstehen – Kunst aber zu mögen. Und die Mädchen, die die gut in Mathe sind, verteidigten ihr Können.
Schubladen im Kopf können andere verletzen
Bei der abschließenden Besprechung dieser Übung waren sich aber alle wieder einig: Es gibt nicht die eine Wahrheit. Jeder hat seine ganz eigenen Sichtweisen und Fähigkeiten, so das Fazit der Schüler*innen. Einig waren sich die Teilnehmenden auch darin, dass Schubladen im Kopf verletzen und zu Ausgrenzung führen können. Und dass jeder so akzeptiert werden sollte, wie er ist. Was in der Theorie einfach klingt, ist es in der Praxis nicht immer. Das wissen auch die Schülerinnen und Schüler. „Wir haben alle Schubladen im Kopf. Diese zu erkennen ist die eine Sache. Schwieriger ist es aber, das auch im Alltag zu merken und anders zu handeln“, fand etwa Katrin aus der siebten Klasse. „Es werden doch immer wieder andere ausgegrenzt.“ Das stimme zwar, bestätigte Tutor Kizito Odhiambo. Doch wer sich die Schubladen immer wieder bewusst mache, könne sie in bestimmten Situationen leichter schließen. Und auch wenn man nicht jede Schubladen entdecke: Selbst wer nur eine kleine Schublade erkenne, gehe bereits einen wichtigen Schritt gegen Ausgrenzung und Diskriminierung.
Der erste Eindruck ist nur die Spitze des Eisberges
Wie eng Ausgrenzung und Unwissenheit zusammenhängen, verdeutlichten das Tutoren-Team und die SoR-Gruppe den Teilnehmenden anschließend symbolisch anhand eines Eisberges. Während die Spitze nur einen kleinen Teil des Gegenübers zeigt, wie etwa Sprache, Kleidung, Mimik und Gestik, ist der viel größere und bedeutendere Teil unter Wasser versteckt. Dieser birgt Gefühle, Werte, Gedanken und bestimmte Einstellungen. „Daher ist es so wichtig, dass man den anderen erst kennenlernt, bevor man über ihn urteilt. Über das Sichtbare allein kann man nicht auf den Menschen schließen“, so das abschließende Fazit der jungen Teilnehmer*innen.
Ein Workshop mit viel Spaß und regem Austausch
„Unglaublich, wie toll die Klassen mitgemacht haben“, staunten am Ende die Tutorin E. Yilmaz und Tutor Nicolay Zakuterin. Und auch das SoR-Team freute ich über das Interesse ihrer Mitschüler. Für sie sind die Workshops ein wichtiges Puzzelteil im Kampf gegen Diskriminierung und Ausgrenzung. Ebenfalls stolz war Christina Wendt, die Leiterin des Projekts „Studium + M“ und interkulturelle Coach: „Das war ein wirklich gelungener Tag und alle haben ihr Bestes gegeben.“ Und Lehrer Sven Dwelk, der den Arbeitskreis an der Schule mit ins Leben gerufen hat, ergänzte: “Das ist ein ganz besonderes Projekt und es ist schön, so viel Einsatz zu sehen und mitzuerleben, wie sich aus einer Idee ein so großartiger Workshop entwickelt hat. Jetzt sind wir gespannt auf die nächsten Workshops am 12. Juni für die sechsten und achten Klassen.“
Postkarte_Schubladen im Kopf (pdf)
Passt die Welt in Schubladen?
„Zollstock-Übung“ und „Eisberg-Modell“: AHA-Erlebnisse bei Workshop für Mitarbeiter*innen
Von Ann-Kathrin Landzettel
Ein wenig nervös war das Projekt-Team zum Auftakt der Workshop-Reihe „Passt die Welt in Schubladen?“, die im Studierendenwerk Darmstadt angeboten werden, schon. „Der erste Workshop ist immer etwas Besonderes“, findet Christina Wendt. Und ihr Kollege Benjamin Lobedank ergänzt: „Jeder Workshop hat seine ganz eigene Dynamik. Aber der erste ist immer besonders spannend.“ Neugierig waren die beiden interkulturellen Trainer vor allem auf die Gruppenarbeiten und den gemeinsamen Austausch.
Am 27. April fand der erste Workshop für Mitarbeiter*innen des Studierendenwerks statt. Die Workshops sind Bestandteil der Personalentwicklung. Die Gruppe war bunt gemischt: Die Geschäftsstelle war ebenso vertreten wie die Bereiche Hochschulgastronomie, Studienfinanzierung und Werkstatt. Insgesamt 15 Teilnehmer*innen starteten gemeinsam in den Tag. Vor allem die praktischen Übungen kamen gut an.
Mit dem Zollstock zu mehr Teamwork
„Der Workshop war sehr interessant und kurzweilig – auch durch die praktischen Übungen“, sagt Ewald Usnerus, der seit elf Jahren für das Studierendenwerk Darmstadt arbeitet. Das größte AHA-Erlebnis hatte der Betriebshandwerker, der die Mensen und die Wohnheime betreut, bei dem Zollstock-Experiment. „Eigentlich war die Aufgabe einfach: Eine Gruppe von acht Personen hat einen zwei Meter langen Zollstock auf den Zeigefingern balanciert und sollte diesen, ohne den Kontakt zu verlieren, gemeinsam auf den Boden legen“, erklärt Usnerus. „Gelungen ist uns das aber nicht. Das war wirklich verrückt.“ Für ihn war diese Übung ein beeindruckendes Symbol dafür, wie schwer es sein kann, gemeinsam etwas umzusetzen – selbst wenn alle das gleiche Ziel verfolgen. „Die Übung hat uns gezeigt, wie wichtig Zusammenarbeit, Abstimmung und Rücksichtnahme sind – in jedem Lebensbereich.“
Lücken in der Kommunikation fördern Aggressionen
Wie wichtig Kommunikation ist, zeigte auch das Rollenspiel „Mittagspause“. Hierfür wurden die Teilnehmer*innen in zwei Gruppen eingeteilt: Gruppe eins argumentierte für eine zweistündige Mittagspause, Gruppe zwei dagegen. Die Hürde: Gruppe eins musste gelassen bleiben und durfte auf die Argumente der anderen Gruppe nicht gleich reagieren. Gruppe zwei wusste von dieser Absprache nichts. „Man hat richtig gemerkt, wie sich mit dem Wunsch, Gehör zu finden, eine gewisse Aggression entwickelt hat. Das Gefühl nicht ernst genommen zu werden hat diesen Effekt zusätzlich verstärkt“, erinnert sich Usnerus. „Das Rollenspiel hat deutlich gezeigt, wie schnell sich Dinge hochschaukeln können – obwohl das nicht sein müsste. Einfach weil die Kommunikation zwischen Sender und Empfänger gestört ist.“
Richtige Kommunikation ist eine Herausforderung
Auch Marlena Fabian, die in der Personalabteilung des Studierendenwerks für den Bereich Aus- und Weiterbildung zuständig ist, fand das Rollenspiel beeindruckend: „Nicht nur, dass es sehr unangenehm war, die Aggression der anderen Gruppe aushalten zu müssen und sich nicht verteidigen zu dürfen. Die Übung hat verdeutlicht, wie schnell Emotionen hochkochen können, wenn erwartete Reaktionen ausbleiben. Kommunikation ist der Schlüssel für das Miteinander und das Lösen von Problemen. Aber Kommunikation ist auch eine große Herausforderung. Das wurde mir durch das Rollenspiel noch bewusster“, sagt Fabian. „Und ich habe mir vorgenommen, im Alltag noch aufmerksamer zuzuhören, nachzufragen und auch mal das Schweigen des Gegenübers auszuhalten, ohne gleich ungeduldig zu werden.“ Gerade im Kontakt mit Studierenden – mit und ohne Migrationshintergrund – gebe es häufig die Situation, dass man etwas erkläre und der andere schweige. Dann sei es wichtig, dieses Schweigen nicht automatisch als Ablehnung zu deuten, sondern als Signal, dass die Person nachdenkt oder vielleicht etwas nicht verstanden hat.
Die Spitze des Eisbergs: Der erste Eindruck täuscht
Spannend fand Fabian auch das Eisberg-Modell. Denn es macht deutlich: Nur ein kleiner Teil eines Menschen, den wir vor uns haben, ist sichtbar. Der viel größere Teil bleibt verborgen. Doch gerade dieser unsichtbare Teil macht sein Handeln, sein Denken und seine Gefühle aus.
„Das Modell zeigt sehr schön, wie schnell wir dazu neigen, die Spitze des Eisberges als den kompletten Menschen zu betrachten – und ihn aufgrund dieser oberflächlichen Wahrnehmung und des ersten Eindrucks in Schubladen zu stecken“, sagt sie. „Wir müssen viel genauer hinschauen. Nur so können wir fair und offen sein und respektvoll miteinander umgehen.“
„Alle Menschen sind wertvoll in ihrer Individualität und Einzigartigkeit“
Respekt gehört neben Toleranz auch für Gülsen Arslan zu den wichtigsten Fähigkeiten im Umgang miteinander. „Egal ob im Alltag oder im beruflichen Leben – es ist sehr wichtig, dass wir Menschen uns immer mit gegenseitigem Respekt begegnen“, so die Mitarbeiterin der Abteilung Studienfinanzierung/ BAföG. Menschen seien nicht gleich, aber gleichermaßen wertvoll in ihrer Individualität und Einzigartigkeit. Das müsse man sich immer wieder bewusst machen.
Vorurteile hat jeder
Ihr persönliches AHA-Erlebnis hatte Arslan bei der Besprechung des Eisberg-Modells. „Es besteht immer die Gefahr, das Gegenüber aufgrund einiger weniger Informationen zu beurteilen. Vorurteile sind ein Bestandteil unserer Gesellschaft und niemand kann sich komplett von ihnen freisprechen. Aber man kann sich ihrer bewusst werden – und sich die Fähigkeit bewahren, das eigene Denken und Handeln immer wieder kritisch zu hinterfragen. Und wir sollten uns immer bewusst sein, dass unser Bild unvollständig ist“, fasst sie zusammen.
Arslan ist nicht nur in den Workshop gegangen, um sich weiterzubilden. „Mich als Deutsche mit Migrationshintergrund betrifft dieses Thema. Ich finde solche Workshops sehr wichtig, weil wir in einer Zeit leben, in der unterschiedliche Kulturen aufeinander treffen. Es kann manchmal zu Schwierigkeiten oder Missverständnissen im Umgang miteinander kommen. Ich möchte nicht aus Unwissenheit einem Menschen zu nahe treten. Deshalb war es mir wichtig an diesem Workshop teilzunehmen. Es ist wichtig, dass sich alle hier lebenden Menschen respektieren. Auch wenn sie nicht denselben kulturellen Hintergrund haben“, sagt sie.
- Warum interkulturelle Workshops nicht frei von Stolpersteinen sind –
„Interkulturelle Pädagogik ist nicht frei von Generalisierungen und nicht neutral“, weiß Dr. Safiye Yıldız, akademische Rätin in der Abteilung Sozialpädagogik an der Universität Tübingen. In dem Workshop „Macht und Auswirkung interkultureller Diskurse“ im Rahmen des Projekts „Studium+M“ suchte sie zusammen mit Teilnehmer*innen der Abteilung Beratung und Soziales des Studierendenwerks Darmstadt u. a. nach interkulturellen Stolpersteinen. Und diese verstecken sich oftmals genau dort, wo interkulturelle Kompetenz eigentlich gefördert werden soll.
Wichtig ist laut der Migrationsexpertin, dass wir uns Zuschreibungen und Ausgrenzungen bewusst werden. Die eigene Haltung und die Haltung anderer können reflektiert und thematisiert werden. Dazu dienen u. a. rassismuskritische Theorien als Reflexionsfolie, die in dem Workshop aufgegriffen wurden.
Christina Wendt (Projektleiterin)
Von Ann-Kathrin Landzettel
Spannung liegt in der Luft: Denn das Treffen ist zugleich auch eine kleine Generalprobe. Am 7. und am 12. Juni soll alles stimmen. Dann nämlich bieten die Schüler*innen der Arbeitsgruppe „Schule ohne Rassismus“ der Albert Schweizer-Schule in Groß-Zimmern gemeinsam mit dem Tutoren-Team des Projekts „Studium + M“ des Studierendenwerks Darmstadt vier Workshops für Mitschüler an. Das Ziel: Schubladen in den Köpfen aufzeigen – und so ein Zeichen zu setzen gegen Rassismus und Diskriminierung.
„Jeder sollte so akzeptiert werden, wie er ist“
Für sie alle sind die Workshops ein wichtiges Puzzelteil im Kampf gegen Diskriminierung, Mobbing und Gewalt. Dafür setzen sie sich ein. „Ich bin total gegen Rassismus“, sagt etwa die 13-jährige Yara, die das jüngste Teammitglied ist. „Menschen auszugrenzen, nur weil sie anders aussehen oder eine andere Herkunft haben, ist total Kacke!“ Yara wünscht sich ein faires Miteinander, bei dem jeder respektiert wird – egal wo er herkommt. Um diesem Ziel ein Stück näher zu kommen, möchte sie ihre Mitschüler mit ihren Vorurteilen und Schubladen im Kopf konfrontieren und zum Nachdenken anregen. „Deswegen mache ich bei diesem Projekt mit. Weil ich gegen Diskriminierung kämpfen will. Und weil ich zeigen will, dass man andere nicht ausgrenzen darf. Jeder sollte so akzeptiert werden, wie er ist“, betont Yara. Außerdem hofft die Schülerin, mit den Workshops das Interesse ihrer Mitschüler zu wecken. „Unser Team kann Unterstützung gebrauchen. Es wäre toll, wenn noch mehr mitmachen. Mit diesem Projekt kann man wirklich viel bewegen.“ Auch die Zusammenarbeit mit dem Tutoren-Team des Projekts „Studium + M“ schätzt Yara. Man helfe sich gegenseitig, sei füreinander da und lerne viel von den Erfahrungen der anderen. „Das Tutoren-Team ist ein wichtiger Wegweiser für uns“, sagt sie.
Mitstreiter*innen für das Projekt sind willkommen
Auch Schülerin Paula steht zu 100 Prozent hinter dem Projekt: „Ich möchte anderen helfen und finde soziales Engagement sehr wichtig. Dazu gehört auch, immer wieder klar zu machen, dass Rassismus und Diskriminierung in unserer Gesellschaft nichts verloren haben. Zusammenhalt ist wichtig. Wir sind alle Menschen und sollten fair miteinander umgehen“, betont die 16-Jährige. Auch sie findet die enge Zusammenarbeit mit dem Tutoren-Team klasse. „Es ist toll, dass sich alle so viel Zeit für das Projekt nehmen und wir so eng zusammenarbeiten und so ehrlich sein können. Wir sind alle auf der gleichen Ebene und nehmen uns ernst. Das ist schön.“ Für die Workshops an ihrer Schule wünscht sich Paula, dass ihre Mitschüler Spaß haben. Und dass das gemeinsam Erarbeitete in den Köpfen ein Umdenken bewirkt. „Es wäre viel erreicht, wenn so manche Schublade danach bewusster wird und vielleicht sogar geschlossen werden kann. Jeder sollte so respektiert werden, wie er ist. Und vielleicht bekommt der ein oder andere sogar Lust, sich ebenfalls zu engagieren.“
„Schule gegen Rassismus“: Ein Projekt mit Zukunft
Das wünscht sich auch Sven Dwelk: „Es wäre super, wenn wir mit diesem Projekt langfristig etwas bewegen könnten“, sagt er. „Und dass nicht nur die Schüler, sondern auch die Lehrer die Sinnhaftigkeit erkennen und vielleicht auf uns zukommen und für die eigene Klasse Interesse an den Workshops zeigen. Es ist wirklich wünschenswert, dass diese wie ich finde wirklich wichtige Idee einen größeren Rahmen bekommt. Das würde in Zukunft den fairen Umgang der Schüler untereinander deutlich stärken.“
Kulturschock: Auslandserfahrungen im Wandel der Gefühle
Von Ann-Kathrin Landzettel
Nach der Honeymoon-Phase kommt oft die Krise: Viele Studierende, die für ein Auslandssemester oder gar eine längere Zeit in ein anderes Land gehen, durchleben ein wahres Wechselbad der Gefühle. An das neue und unbekannte Leben muss man sich erst gewöhnen. Viele Hürden wollen gemeistert werden. Einfach ist das nicht immer.
Im Rahmen des Workshops „Passt die Welt in Schubladen“, der am 07. und 08. April im Studierendenwerk Darmstadt von dem interkulturellen Trainerteam Christina Wendt und Benjamin Lobedank gemeinsam mit Studierenden des Studiengangs „Soziale Arbeit Plus - Migration und Globalisierung“ durchgeführt wurde, standen Eigen- und Fremdwahrnehmung im Fokus. Diskutiert wurde unter anderem das von DuBois/Oberg etablierte und vom Kulturwissenschaftler Martin Woesler weiterentwickelte Kulturschock-Modell. Es zeigt die verschiedenen Gefühlslagen auf, die das Leben in einem anderen Land mit sich bringen kann und die Zeit nach der Rückkehr ins eigene Land.
Kulturschock-Modell: Nach der Honeymoon-Phase kommt oft die Krise
„In der Honeymoon-Phase zu Beginn des Aufenthalts ist alles neu und spannend. Man hat quasi eine 'rosarote' Brille auf und ist voller Tatendrang“, erklärte Lobedank die erste Stufe des Modells. „Lässt die erste Euphorie nach, durchleben viele ihre erste Krise. Nämlich dann, wenn sie merken, dass doch nicht alles so ist wie erhofft. Erste Herausforderungen müssen gemeistert werden: Man muss sich einleben, sich ein soziales Umfeld aufbauen, viel organisieren und planen.“ Hinzu kommt, dass die Unterschiede zu dem eigenen Heimatland deutlich werden. Sprachbarrieren können den Austausch mit anderen zusätzlich erschweren und dazu beitragen, dass man sich alleine fühlt. Heimweh kommt auf. „Kann diese Phase nicht überwunden werden, ist sehr oft ein Abbruch des Auslandsaufenthaltes die Folge“, sagte Lobedank.
Re-Entry-Schock: Auch die Rückkehr in das eigene Land fällt vielen schwer
Wer den ersten Schock überwindet, durchlebt dem Kulturschock-Modell zufolge schließlich die Phase der Erholung (Recovery). Man gewöhnt sich langsam ein, erkennt und akzeptiert neue Strukturen und baut sich ein soziales Netzwerk auf. Alles wird vertrauter. Man lernt, mit den anderen Gepflogenheiten umzugehen und mögliche Fettnäpfchen zu umgehen. Viele beschreiben diese Phase mit dem Gefühl des Ankommens. Interessant wird laut Woesler dann die Rückkehr in das eigene Land: Denn es ist durchaus möglich, dass die eigene Kultur plötzlich fremd erscheint und vieles, was vorher als selbstverständlich galt, aufgrund der neuen Erfahrungen kritisch hinterfragt wird. Vielen erscheint das neu aufgebaute Leben attraktiver als das alte. Die Folge kann ein Eigen-Kulturschock (Re-Entry Schock) sein, der durch Unzufriedenheit und Enttäuschung gekennzeichnet ist und sich häufig durch Orientierungslosigkeit, Einsamkeit und Fernweh zeigt.
Spannende Unterschiede: Woeslers Modell im Vergleich mit der Realität
Soweit zur Theorie. Doch wie sehr greifen diese Phasen in der Realität? Welche Gefühlslagen haben die Teilnehmer*innen des Workshops in ihren Auslandsaufenthalten durchlebt? Das wollten die beiden interkulturellen Trainer genauer wissen. Das spannende Ergebnis: Nur die wenigsten durchliefen alle Phasen des Kulturschock-Modells. Das zeigt, wie individuell neue Erfahrungen und Eindrücke aufgenommen und verarbeitet werden. Abhängig ist das immer auch davon, mit welchen Erwartungen, (Vor-)Urteilen und Erfahrungen man in ein neues Land geht.
Teilnehmerin Wiebke etwa war bereits zwei Mal für einen längeren Zeitraum im Ausland und die Gefühlslagen fielen bei ihr beide Male unterschiedlich aus. „Das hängt von so vielen Faktoren ab: Wo ist man? Passiert etwas, das einen möglicherweise runterzieht“, sagte sie. „Meine erste Auslandsreise habe ich mit einem Hoch beendet und daher auch den Re-Entry-Schock deutlich gespürt. Bei meiner zweiten Reise ging es mir gegen Ende nicht so gut, was unter anderem an sozialen Kontakten und den Arbeitsverhältnissen lag. Da fiel mir das Heimkommen deutlich leichter.“
Nicht alle Reisende durchleben die Honeymoon-Phase
Andere Teilnehmerinnen berichteten, dass sie gerade den Beginn ihrer Reise als unangenehm erlebt und die Honeymoon-Phase komplett übersprungen haben und direkt in der Schock-Phase landeten. Ganz anders war es wiederum bei Barbara: „Ich war ein Jahr in Tansania und habe die komplette Zeit als Honeymoon-Phase empfunden“, erzählt sie. „Natürlich gab es Hürden und es lief nicht immer alles rund, aber das hat mich nie gestört oder runtergezogen.“ Auch den Re-Entry-Schock hat sie nicht erlebt: „Als ich wieder in Deutschland war, habe ich mich hier sofort wieder total wohl gefühlt“, erinnerte sie sich.
Von Kenia nach Deutschland: ein Erfahrungsbericht
Kizito Odhiambo kam für ein freiwilliges soziales Jahr aus Kenia nach Deutschland und kann die verschiedenen Phasen des Modells gut nachvollziehen. „Zu Beginn war ich total euphorisch und stolz, nach Deutschland gehen zu können. Ich war schon in meinem Land in der Honeymoon-Phase“, erinnerte sich Odhiambo, der auch das Tutoren-Team des Projekts „Studium + M“ mit unterstützt. „Der Schock kam dann, als ich gemerkt habe, dass vieles ganz anders ist als bei uns. Etwa zu sehen, dass junge Menschen rauchen und in der Öffentlichkeit Alkohol trinken. Das hätte ich nie gedacht.“ Auch das Organisatorische, etwa der viele Briefverkehr, die Kontenführung und ähnliches waren zu Beginn eine echte Herausforderung für ihn.
„Die oft kritischen Blicke von Anderen haben mich verunsichert“
Ein anderes Thema, das ihn sehr berührt hat, waren die Blicke von anderen. „Damit bin ich nicht zurecht gekommen. Ich war nur sehr wenig draußen, habe wenig geredet und mich zurückgezogen. Ich habe viel mit meiner Familie geskypt und die Verbindung zu meiner Heimat gesucht. Ich war zu Beginn sehr verunsichert. Das war keine einfache Zeit.“ Odhiambo gelang es, diese Herausforderungen zu meistern und er fühlte sich in seinem neuen Leben schließlich angekommen. Erstaunt war er, als er nach drei Jahren wieder nach Kenia ging und der Re-Entry-Schock griff. „Da musste ich erst mal wieder umdenken. Was ich in Deutschland beispielsweise schätze, ist, dass viele sehr direkt sind und offen ansprechen, was sie möchten. Das kannte ich so vorher nicht. Und es war eine Umstellung, zu Hause wieder mehr deuten zu müssen, was mein Gegenüber von mir möchte. Etwa wenn es um finanzielle Unterstützung ging“, erklärte er.
Weihnachten: Wenn die Familie fehlt
Benjamin Lobedank, der als Backpacker nach Neuseeland ging, erlebte die Honeymoon-Phase zu Beginn ebenfalls sehr intensiv. Der Schock zeigte sich zum ersten Mal am 24. Dezember. „Der 24. Dezember ist für mich Familientreffen. Das war wirklich hart, nicht zu Hause zu sein“, berichtete er. Auch der Wandel vom Backpacker zu „Ich möchte hier jetzt leben und arbeiten“, löste bei ihm eine Krise aus. „Organisatorisch war das nicht leicht. Aber ich habe es geschafft und auch tolle Menschen kennengelernt.“ Der Re-Entry-Schock kam bei ihm schon vor seiner Heimreise, da er gerne noch länger geblieben wäre.
Phasen greifen oft auch im eigenen Land
„Die Gruppendiskussion hat deutlich gezeigt, dass das Modell lediglich eine Orientierung darstellt“, sagte Christina Wendt, die auch Leiterin des Projekts „Studium + M“ ist, zum Abschluss des ersten Workshop-Tages. „Denn jeder bringt ganz eigene Motivationen, Wertungen, Emotionen und Kontexte mit.“ Spannend ist laut Wendt zudem auch, das Kulturschock-Modell nicht nur auf Auslandsaufenthalte anzuwenden. „Diese Phasen kann man auch im eigenen Land durchleben. Etwa wenn man nach der Schule in die Berufswelt einsteigt. Oder wenn man im Beruf oder Privaten einen Wechsel durchlebt. Hierfür braucht es nicht unbedingt eine weite Reise. Es reicht oftmals schon aus, wenn sich die Lebensumstände deutlich verändern.“
Hohe Studierneigung von Schüler_innen mit Migrationshintergrund – und dann?
Studierendenwerk beauftragt lokale Studie „Zukunftspläne nach der Schule 2016“
Pressegespräch am 3. März 2017
Prof. Dr. Marek Fuchs vom Institut für Soziologie der Technischen Universität Darmstadt stellt am Freitag, 3.3.2017 im Raum „Nizza“ des Studierendenwerks, Alexanderstraße 4, ab 11.00 Uhr die Studie „Zukunftspläne nach der Schule 2016“ vor. 1.313 Oberstufenschüler_innen wurden hierzu in Darmstadt bzw. im Landkreis Darmstadt/Dieburg befragt.
Dr. Olga Zitzelsberger vom Institut für Allgemeine Pädagogik und Berufspädagogik der TU kommentiert die Ergebnisse aus bildungswissenschaftlicher Sicht.
Beide bescheinigen der Studie „Brisanz“ im Hinblick auf das offensichtliche Missverhältnis zwischen der vergleichsweise hohen Studienaspiration junger Menschen mit Migrationshintergrund und der Tatsache, dass sie an den Hochschulen unterdurchschnittlich vertreten sind. „Schüler_innen mit Migrationshintergrund weisen auch bei Kontrolle einer Vielzahl von sozialen und kulturellen Hintergrundvariablen eine signifikant höhere Studierneigung auf als ihre einheimischen Mitschüler_innen“, so Prof. Fuchs.
Das Studierendenwerk hatte die Studie im Rahmen des von der Stiftung Mercator geförderten Pilotprojekts „Studium + M“ in Auftrag gegeben. Das Einbeziehen neuester Ergebnisse der systematischen Bildungsforschung ist aus Sicht der Darmstädter Projekt-Verantwortlichen die Voraussetzung für ein wirksames Vorgehen der Studierendenwerke.
Interkulturelle Fortbildungen für Mitarbeiter_innen sind beispielsweise inzwischen ein wichtiges Element der Personalentwicklung beim Studierendenwerk Darmstadt.
Termin: Freitag, 3. März 2017 · 11.00 Uhr
Studierendenwerk Darmstadt · Hauptverwaltung
Alexanderstraße 4 · 64283 Darmstadt · OG · Raum „Nizza“
Ansprechpartner für Presse/Medien:
Detlef Gollasch · Abteilungsleiter Öffentlichkeitsarbeit
Tel (06151) 16-29290 · d.gollasch@stwda.de
www.stwda.de
„Plötzlich hat es Klick gemacht“
13 Führungskräfte, 1 Interkultureller Trainer und das Ziel, Konflikte sichtbar zu machen
„Da würde ich nicht lange fackeln“ – Konflikte im interkulturellen Miteinander sorgen immer wieder für Zündstoff und lassen die Gefühle hochkochen. Wann sind Grenzen erreicht? Wo fehlt es an Wertschätzung? Und wie gelingt es, fair zu bleiben? Diesen Fragen stellten sich die 13 Teilnehmer*innen des Workshops „Interkulturelle Kompetenz für Führungskräfte“, der im Rahmen des bundesweiten Programms „Studium + M – Programm für mehr Studierende mit Migrationshintergrund“ im Studierendenwerk Darmstadt durchgeführt wurde. Das Ergebnis: Konfliktlösungen sind nur dann möglich, wenn nicht nur das Verhalten der anderen, sondern auch das eigene kritisch hinterfragt wird.
Wir leben in einer von Globalisierung und Migration geprägten Gesellschaft. Tagtäglich kommen wir mit anderen Kulturen in Kontakt, im privaten wie im beruflichen Bereich. Unterschiedliche Werte, Erfahrungen und Denkweisen führen dabei ebenso häufig zu Missverständnissen und Frust wie verschiedene Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster.
Konflikte sind da, wo das Gefühl der Wertschätzung fehlt
„Wir leben in einer komplizierten Welt, nicht alle Konflikte sind zu lösen. Doch das nimmt uns nicht aus der Verantwortung, nicht diskriminierend unterwegs zu sein und Menschen unterschiedlich gerecht zu werden“, sagt Bernd Fechler, Mediator und Trainer für Interkulturelle- und Diversity-Kompetenz vom Institut für Mediation, Beratung, Entwicklung (Inmedio) in Frankfurt.
Bestehende Konflikte sowie mögliche Auslöser sichtbar zu machen und Lösungsansätze zu diskutieren, war das Ziel des Mediators, der den eintägigen Workshop leitete. Dabei ging es ihm nicht darum, den moralischen Zeigefinger zu erheben, sondern darum, mit den anwesenden Führungskräften über Gerechtigkeit, Akzeptanz, Anerkennung, soziale Ängste, Machtunterschiede, Diskriminierungserfahrungen, persönliche Grenzen und Zugehörigkeitsfragen zu sprechen. Denn genau dort findet sich der Ursprung der meisten Auseinandersetzungen.
Feedbackgespräche sind für Führungskräfte Gold wert
Perspektivenwechsel: Als Nichtraucher in einer Raucherwelt
Welche Gedankenprozesse ein solcher Perspektivenwechsel in Gang setzen kann, erlebten die Führungskräfte während eines Rollenspiels hautnah. Im ersten Schritt bat Herr Fechler die Teilnehmenden, sich in Raucher und Nichtraucher aufzuteilen und sich anschließend gegenseitig einzuschätzen. „Die Antworten sind bei dieser Übung immer gleich. Während sich die Nichtraucher beispielsweise als gesundheitsbewusst einstufen und finden, dass die Raucher stinken, beschreiben sich die Raucher als lässig und gesellig und empfinden die Nichtraucher hingegen als verkrampft“, erklärt der Mediator. Spannend wird es ihm zufolge erst, wenn im zweiten Schritt beide Gruppen erneut aufeinander treffen. Diesmal mit dem Szenario: Wir leben in einem Raucherland. Die Nichtraucher sind in der Minderheit. „Durch den Machtwechsel – Etablierte versus Außenseiter – verschiebt sich die Wahrnehmung und beide Seiten empfinden plötzlich anders. Diese Erfahrung beeindruckt und sorgt immer wieder für Aha-Erlebnisse.“
Auch diesmal war es so. „Bei dieser Übung hat es Klick gemacht“, waren sich die Teilnehmer*innen einig. So auch Ursula Lemmertz, Leiterin der Abteilung Beratung und Soziales: „Das Raucher-Spiel war richtig vielsagend. Das Gefühl, plötzlich ausgegrenzt zu sein, hat mich bedrückt“, beschrieb sie in der anschließenden Feedbackrunde ihre Gefühle. „Wenn man sich bewusst macht, dass Minderheiten diesem Gefühl ständig ausgesetzt sind, kann man viele Reaktionen besser verstehen.“
Auch Ulrike Laux, Geschäftsführerin des Studierendenwerks Darmstadt, beeindruckte dieser Perspektivenwechsel. Als echte Nichtraucherin war sie in die Raucher-Gruppe gegangen und merkte, dass sie im Laufe des Rollenspiels plötzlich mehr Verständnis für die Raucher entwickelte. Und: „Die Erkenntnis, dass es weh tun kann, deplatziert zu sein und sich nicht zugehörig zu fühlen, ist angekommen“, sagte Laux. Für die Geschäftsführerin war der Workshop ein weiterer kleiner Schritt dahingehend, studierfähigen Menschen mit Migrationshintergrund ein Studium zu ermöglichen. „Es ist nun mal so, dass diese Menschen seltener studieren. Da gibt es ungenutztes Potenzial. Je mehr interkulturelle Kompetenz in der Gesellschaft vorhanden ist, desto eher können diese Potenziale genutzt werden.“
Text: Ann-Kathrin Landzettel
Am 23.2. waren wir in Berlin auf der Fachtagung Interkulturelles des DSW.
Für die Arbeitsgruppe "Studieren mit Migrationshintergrund" hielt Christina Wendt einen Inputvortrag und stellte unser lokales Projekt "Vielfalt leben - vom Ihr zum WIR" vor.
Nadine Keitel vom Studierendenwerk Thüringen stelle das dortige Projekt vor, bevor wir gemeinsam in den Erfahrungsaustausch mit den anderen Studierenden- und Studentenwerken traten.
"Das wollen wir auch anbieten!" - sagten die SchülerInnen der Albert Schweitzer Schule im November beim Studierendenwerk Darmstadt. Die Schule nimmt Teil beim Projekt "Schule ohne Rassismus (SOR)". Um die MitschülerInnen noch besser zu schulen, nahmen sie an 2 Workshops teil, die TutorInnen des Projekts "Vielfalt leben - vom Ihr zum WIR" gehalten hatten.
Anfang Februar 2017 kam es zu einem erneuten Treffen. 3 Tutoren halfen den SchülerInnen bei der Planung eines eigenen Workshops. Die AG „SOR“ der Albert-Schweitzer-Schule bietet während der Projektwoche im Mai vier Workshop-Einheiten an.
Wir freuen uns über das Engagement der SchülerInnen und wünschen gutes Gelingen für die Workshops!
(November 2016)
Demokratie leben – mit Blick auf die Spuren der NSDAP
Exkursion nach München-Dachau verknüpft historisch-politische Bildung mit interkulturellem Ansatz
Die Auseinandersetzung mit einem der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte führte 49 Personen aus 15 Ländern zusammen: Darmstädter BürgerInnen mit Migrationshintergrund, internationale und deutsche Studierende der Hochschule und Technischen Universität mit und ohne Migrationshintergrund knüpften während informativer und bewegender Besuche und zweisprachig organisierter Führungen neue Kontakte.„Die Welt in Schubladen!?“ – mit Auszubildenden des Studierendenwerks
Workshop: Interkulturelle Kompetenz und Kommunikation
Im Oktober nahmen zehn Auszubildende des Studierendenwerks und fünf Tutor*innen des Projekts „Studium+M“ an einem zweitägigen Workshop teil.
Vermittelt wurden Inhalte zum Kulturbegriff, unterschiedliche Kulturdefinitionen, Grundlagenwissen zu Sprache sowie Übungen im Umgang mit Vorurteilen und Diskriminierung.
„‘Kultur‘ versteckt mehr, als sie zeigt. Und das, was sie versteckt, versteckt sie seltsamerweise am besten vor ihren eigenen Mitgliedern. Jahre des Studiums haben mich überzeugt, dass die eigentliche Aufgabe nicht darin besteht, fremde Kulturen, sondern die Eigene zu verstehen.“ (Edward, T. Hall/1959)
Den Fokus dieser Workshops legen Christina Wendt und Benjamin Lobedank (Bereich Interkulturelles) auf das Verstehen und Reflektieren von:
- eigenen Verhaltens- und Denkmustern,
- Stereotypen und Vorurteilen,
- und liebgewonnenen „Schubladen“
Dabei spielt die Sensibilisierung für das Thema eigen- und Fremdwahrnehmung eine besondere Rolle.
Interkulturelles Training beim Studierendenwerk im Rahmen von Progammen für Mentorinnen der TU Darmstadt
(28. April 2016)
"Big Sister“ und das Gruppenmentoring „Heute Schülerin – morgen Studentin“ aus „Technik braucht Vielfalt“ sind Programme für Mentoring und Networking, die u.a. von Elke Plies-Balzer (Koordinatorin „Big Sister“) und Franziska Lach (Koordinatorin „Technik braucht Vielfalt“) im Büro der Frauenbeauftragten der Technischen Universität Darmstadt initiiert wurden. In diesem Rahmen führte das Studierendenwerk einen Workshop für Studentinnen und Doktorandinnen durch, die im interkulturellen Bereich zu Mentorinnen ausgebildet werden. Aufgabe der Mentorinnen ist es, ausländische Studentinnen oder Schülerinnen der 10. bis 13. Klasse mit und ohne Migrationshintergrund auf ihrem Weg zur und an der Universität zu begleiten.
Perspektivenwechsel
Die 15 Teilnehmerinnen wurden angeregt, allgemein verbreitete sowie persönliche Muster der Eigen- und Fremd-Wahrnehmung zu erkennen und Bewertungsmechanismen zu hinterfragen.
Christina Wendt vom Studierendenwerk legt als Workshop-Leiterin auf Basis ihrer Qualifikation und Erfahrung im Bereich systemisches Coaching und interkulturelles Training Wert auf produktive Irritation. Sie macht sichtbar, wie Perspektivenwechsel Räume für interkulturelle Prozesse öffnen können.
„Die Migrationsgesellschaft ist eine Tatsache und bietet Chancen. Ein Ziel interkultureller Trainings ist daher, die Bereitschaft für Flexibilität zu entwickeln, um Vielfalt in einer Haltung gegenseitiger Wertschätzung positiv (er-) leben zu können. Unsicherheits-, Ungewissheits- beziehungsweise Ambiguitätstoleranz spielt eine Rolle.“
Gesteigerte Sensibilität für unterschiedliche Sicht- und Lebensweisen helfe weiter, so Wendt. „Ohne persönliche Kategorien kommen wir zwar nicht aus, aber es ist möglich unser Schubladendenken zu hinterfragen. Ich sehe das als Prozess, der kein absehbares Ende hat, dem wir uns aber mit Gewinn stellen können.“
„Diskriminierungsbarometer”
Am konkreten Beispiel erlebten die Teilnehmerinnen, wie unterschiedlich ein und derselbe elementare Begriff (etwa: „Brot“) besetzt sein kann. Neben eigenen Interpretationen gibt es viele andere, die jeweils nicht mehr oder weniger richtig, sondern eben anders sind. So ergab sich ein spielerischer Einstieg in die Frage, mit welchen Vorstellungen und Urteilen die Teilnehmerinnen im Alltag zu tun oder, unter Umständen, auch zu kämpfen haben.
Die Übung „Diskriminierungsbarometer“ konfrontierte mit potentiell diskriminierenden Aussagen, die im Anschluss räumlich verortet und dann per „Abstimmung mit den Füßen“ individuell bewertet wurden. Das führte sehr anschaulich unmittelbar zur Frage: Wo stehe ich, wo stehen die anderen und warum?
Kommunikative Praxis
Letztlich ging es weniger darum Stereotypen abstrakt zu entschlüsseln.
Die Sichtweisen jeder Teilnehmerin, insgesamt ein Kaleidoskop an Facetten, wurden in den Blick genommen, Perspektiven und Bewertungsmuster schließlich in Beziehung gesetzt und gemeinsam reflektiert.
Durch praktische Aufklärungsarbeit wird der „Mythos Studium“ ein Stück weit entzaubert
(28. Februar 2016) “Vielfalt leben – vom Ihr zum WIR“, der Darmstädter Projektbeitrag im Rahmen von Studium+M setzt auf Netzwerk-Aktivitäten: diesmal zusammen mit verschiedenen Kooperationspartnern bei einem Elterninformationsnachmittag im Saal der Alevitischen Gemeinde.
Als Projektleiterin Christina Wendt vom Studierendenwerk die Podiumsgäste vorstellt, ist der Saal gut besucht. Ihre Kooperationspartner sind VertreterInnen der Hochschulen, die Interessengemeinschaft der Migrantenselbstorganisationen der Wissenschaftsstadt Darmstadt (IGMSO) sowie die Initiative „Technik braucht Vielfalt“ des Büros der Frauenbeauftragten der TU Darmstadt. Gemeinsam konkretisieren sie hier die Studium+M-Idee: Das Projekt zielt auf das Zusammenwirken von Studierenden bzw. Studieninteressierten mit Migrationshintergrund mit anderen lokalen Akteuren, um, wo es hilfreich ist, durch praktische Aufklärungsarbeit den „Mythos Studium“ ein Stück weit zu entzaubern.
Studierende mit Migrationshintergrund, die auf ganz unterschiedliche Weise schon erfolgreich den Schritt an die Hochschule gewagt haben, waren ebenfalls eingeladen. In einem Punkt sind sie sich allerdings einig: Bei der Entscheidung zu studieren sollte das eigene Interesse die entscheidende Rolle spielen. Motivation und Engagement öffnen mehr Türen, als manche gedacht hätten: Einige der Studierenden erhalten sogar Stipendien. Von schlimmen Diskriminierungserfahrungen berichtet an diesem Sonntagmittag niemand.
Kreativität gewinnt: Mit einem originellen, selbst entwickelten Frage- und Antwort-Brettspiel begeisterten die TutorInnen des Projekts „Vielfalt leben – vom Ihr zum WIR“ studieninteressierte SchülerInnen auf der „hobit“.
(24.-26. Januar 2016)
Junge Leute zögern aus den unterschiedlichsten, oft gar nicht fachbezogenen Gründen ein Studium aufzunehmen. Sie wissen oft kaum, wie sie einer Klärung näher kommen und wo es entsprechende Unterstützung gibt. Hier setzt „Vielfalt leben – vom Ihr zum Wir“ an. Koordinatorin Christina Wendt ist mit einer Vielzahl von Akteuren in einem großen Netzwerk aktiv – ständig weitere Verbindungen knüpfend. Weil auf diese Weise Menschen, die über hilfreiches Know-how verfügen, näher zusammengeführt werden, fällt es leichter beispielsweise Studieninteressierten mit Migrationshintergrund Kontakte zu den richtigen AnsprechpartnerInnen zu vermitteln.
Während der „Hochschul- und Berufsinformationstage hobit 2016” war der Ansturm auf unseren Stand groß. Die kreativen und sehr engagierten „Vielfalt leben“-TutorInnen haben im Vorfeld der Veranstaltung mit dem Kommunikationsspiel „Studienmonster“ einen Türöffner entwickelt, mit dem es leicht fiel, mit den SchülerInnen zielgruppengemäß, aber auf Augenhöhe, ins Gespräch zu kommen. Der Ansatz, auf spielerische Weise konkrete Fragen zu fokussieren, führte im Rahmen der drei hobit-Tage zu über hundert intensiven Sach-Gesprächen. Viele Zweifel hinsichtlich der Rahmenbedingungen eines Studiums konnten gemindert, unterschiedlichste Lösungswege bei speziellen Problemlagen aufgezeigt werden.
Als TutorInnen verfügen die jungen Netzwerker in der Regel selbst über viel Know-how „rund ums Studium“ und sind in Sachen Kommunikation erfahren im interkulturellen Kontext. Die Projektgruppe hat bereits die h_da-Infomesse am 7. April fest im Blick. Auch Workshops für MentorInnen im Rahmen der Projekte des Büros der Frauenbeauftragten der TU-Darmstadt „Big Sister – Mentoring und Networking“ und Gruppenmentoring „Heute Schülerin – morgen Studentin“ stehen an.
Menschen aus 20 verschiedenen Nationen reisten am 17. und 18. Oktober gemeinsam nach Erfurt und Buchenwald.
Die Interessengemeinschaft der Migrantenselbstorganisationen der Wissenschaftsstadt Darmstadt und das Studierendenwerk Darmstadt veranstalteten zu dem Thema „Rassismus - Gestern & Heute“ eine Studienfahrt nach Thüringen in die Landeshauptstadt Erfurt sowie in das ehemalige KZ Buchenwald ein. Das Angebot richtete sich an Bürger*innen mit und ohne Migrationshintergrund aus Darmstadt und Umgebung, sowie an Studierende der TU Darmstadt sowie der Hochschule Darmstadt.
Im Vorfeld hatten die Teilnehmer*innen die Möglichkeit sich am 13. Oktober im Rahmen eines Vortrags von Gottfried Kößler (Fritz Bauer Institut, Frankfurt a.M.) über die Geschichte des KZ Buchenwald zu informieren.
Am Samstag, dem 17. Oktober trafen sich die 59 Teilnehmer*innen am Karolinenplatz. Die erste Etappe der Fahrt war Erfurt. Dort gab es zunächst die Möglichkeit die Stadt zu besichtigen. Danach ging es in den Landtag zu einem Gespräch mit zwei Landtagsabgeordneten: Katharina König, Vorsitzende im NSU-Untersuchungsausschuss und Sprecherin für Antifaschismus und Sabine Berninger, Sprecherin für Migration und Flüchtlinge (beide Fraktion der Linken). Katharina König gab einen detaillierten Überblick über die Geschichte und Entwicklung des „Trios des nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) bis zum heutigen Zeitpunkt. Die Gruppe war sehr an dem Thema interessiert, stellte kritische Fragen und diskutierte lebhaft. Ein Teilnehmer mit Migrationshintergrund fragte: „Kann ich ohne Angst in Erfurt Urlaub machen?“. Die Antwort der Landtagsabgeordneten lautete: „Ja, aber nicht mittwochs.“ [Anmerkung: Mittwochs finden dort Pegida-Demonstrationen statt.]
Der nächste Tag war der KZ-Gedenkstätte Buchenwald gewidmet – dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte. Dort gab es zwei Führungen (in deutscher und englischer Sprache). Für viele der Teilnehmenden und speziell der internationalen Studierenden waren die Themen „NSU“ und „Nationalsozialismus“ äußerst erschreckend.
Eine der wesentlichen Fragen, die am Ende der Fahrt offen blieb, war: Wie konnte und kann eine Strömung wie NSU und Pegida in Deutschland Fuß fassen, angesichts einer solchen Vorgeschichte, die noch nicht lange her ist?
Text: Dogan Yilmaz